Wine & Dine
Beim Thema „Reisen nach Südafrika“ denken die meisten wohl zu allererst an Löwen und Elefanten im Krüger Park, an eine Gondelfahrt auf den Tafelberg oder an die endlosen Strände entlang der Küste. Natürlich völlig zu Recht. Aber die Regenbogennation hat noch viele weitere interessante Facetten zu bieten. Eine dieser Facetten rückt immer mehr in den Mittelpunkt: das Land als Genuss-Destination dank seiner unzähligen Weingüter und Restaurants von Weltrang.
Gutes Essen und dazu ein edler Tropfen wurde in Südafrika immer schon wertgeschätzt. Das insgesamt gute Preis-Leistungsverhältnis hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass immer mehr Gourmets aus aller Herren Länder in die Genuss-Tempel am Kap gepilgert sind und sich dort eine Küche etabliert hat, die nicht nur locker mit dem besten der Welt mithalten kann, sondern selbst zu einer der besten der Welt geworden ist.
Das Zentrum der Gourmets ist natürlich Kapstadt sowie die umliegenden Weingebiete. Wir haben uns aufgemacht, der lokalen Restaurantszene einen Besuch abzustatten. Von modern bis klassisch, von südafrikanisch bis international, von Fine Dining bis ehrlicher Country-Küche: Verhungern muss man am Kap sicherlich nicht und auch das Portemonnaie wird nicht über Gebühr strapaziert, so wie man es aus europäischen Spitzenrestaurants gewohnt ist.
Wir starten an einem sonnigen Sommertag in Kapstadt. Trotz einer Anfrage Monate im voraus war die Test Kitchen, wohl zur Zeit die angesagteste Lokalität der Mother City, für unseren Aufenthalt schon ausgebucht. Aber der restauranteigene Ableger The Pot Luck Club hatte noch einen Tisch für uns frei. Kein schlechter Ersatz, wie sich herausstellen sollte.
Sowohl die Test Kitchen als auch der Pot Luck Club liegen auf dem Gelände der Old Biscuit Mill in Woodstock. Das Viertel war vor wenigen Jahren noch als heruntergekommenes Industrie- und Geschäftsviertel verschrieen, in das kein vernünftiger Mensch – und schon gar kein Tourist – auch nur einen Fuß gesetzt hat. Dann kamen die Studenten, die Kreativen und die Hungrigen. Heute wartet Woodstock mit unzähligen Galerien, Boutiquen, Second-Hand-Geschäften und einigen der besten Restaurants der Stadt auf. Immer samstags vormittags findet an der Old Biscuit Mill der Neighbourgoods Market statt. Bekleidung, Möbel, ein wenig Kitsch und Trödel sowie natürlich gutes Essen wird hier von lokalen Produzenten angeboten.
Mit einem atemberaubenden 360 Grad Ausblick über Kapstadt und den Hafen liegt der Pot Luck Club im obersten Stock eines umgebauten Getreidesilos. Die Ambiente ist schlicht und modern. Die Spitzentischdeckchen, das Silberbesteck sowie Kellner in schwarzen Anzügen sucht man vergeblich. Das Essen steht im Vordergrund, nur das Essen. Dazu passt die offene Küche am Ende des Raumes, in der man den Köchen bei jedem ihrer Arbeitsschritte quasi über die Schulter schauen kann.
Das Menü besteht aus kleinen Gerichten im Tapasstyle, welche in die fünf Geschmacksrichtungen salzig, sauer, süss, bitter und umami aufgeteilt sind. Fünf bis sechs Gerichte werden pro Person empfohlen, um satt zu werden. Es ist besonders erwünscht, dass sich alle am Tisch ihre Gerichte untereinander teilen, um die gesamte Bandbreite der verschiedenen Geschmäcker probieren zu können. Aus dieser Idee entstammt auch der Name des Restaurants: Potluck Dinners sind vor allem in den USA verbreitete Zusammenkünfte, bei denen jeder ein Gericht mitbringt und alle Anwesenden sich alle Speisen untereinander teilen.
Der Pot Luck Club hat erst im Februar 2013 seine Tore geöffnet und sich innerhalb kürzester Zeit auf die Spitzenplätze der Kapstädter Restaurants gesetzt. Und das auch völlig zu Recht. Bei jedem Gericht haben die Köche bis in die letzten Geschmacksnuancen ganze Arbeit geleistet. Wir sind völlig erschlagen (im positivsten Sinn). Als wir nach zweieinhalb Stunden das Restaurant verlassen, haben wir für dieses wirklich erstklassige Essen umgerechnet gerade mal knapp 40 Euro pro Person bezahlt, inklusive Getränke und Trinkgeld.
Den folgenden Tag verbringen wir mit Sightseeing auf der Kaphalbinsel. Am frühen Nachmittag stoppen wir zu einer Weinprobe auf dem Steenberg Weingut in Constantia, dem ältesten Weingebiet am Kap. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Weingüter optisch und philosophisch verjüngt. Klar gibt es immer noch die klassischen Weinfarmen mit ihren alten reetgedeckten Herrenhäusern im kapholländischen Baustil. Steenberg dagegen setzt mit seinen Gebäuden für Weinverkauf, Weinprobe und das Sixteen 62 Bistro ganz auf eine moderne Architektur.
Wir nehmen auf der Terrasse an einem kleinen künstlich angelegten See auf einem Loungesofa platz und probieren einige der hiesigen Weiss- und Perlweine. Besonders der Sauvignon Blanc erweist sich als idealer Begleiter für einen sonnigen Nachmittag. Da wir noch nichts zu Mittag gegessen haben, entschließen wir uns ein Häuschen weiter zu gehen und suchen uns einen Tisch im Sixteen 62 Bistro. Auch hier dominiert sowohl optisch wie auch küchentechnisch die Moderne. Es gibt leichte Gerichte im Tapasstyle, Salate und Klassiker wie Pasta oder Sandwiches – alle optisch hochwertig präsentiert und richtig lecker für einen fairen Kurs.
Nach soviel modernem Ambiente haben wir uns für den Abend einen echten Klassiker vorgenommen. Es geht in das Roundhouse bei Camps Bay. Das Gebäude zeugt von einer bewegten Geschichte. Ehemals das Wohnhaus von Lord Charles Somerset lud man hier schon vor 150 Jahren zum Tee bzw. zum Dinner. Die jetzigen Betreiber haben viel von dem Glanz der guten alten Zeit bewahrt. Hier findet man sie, die festlich gedeckten Tafeln, die opulenten Kronleuchter und die Kellner in schwarzen Anzügen.
Auf der Speisekarte stehen südafrikanische und internationale Klassiker französisch interpretiert. Die Nouvelle Cuisine lässt grüßen. Das Essen ist insgesamt schon lecker, das ganze klassische Ambiente wirkt sehr stilvoll – insgesamt vielleicht eher etwas für den romantischen Abend zu zweit als für eine Gruppe von Freunden. Hier fällt uns zum ersten Mal auf, dass auch die Gäste sich mächtig in Schale geschmissen haben – für die eher legeren Südafrikaner schon ungewöhnlich.
Allerdings hakt es hier und da im Service und als wir die Rechnung bekommen und fast doppelt soviel auf der Uhr haben wie gestern im Pot Luck Club, wird uns klar, dass das Preis-Leistungsverhältnis im Roundhouse nicht mit den anderen Top-Restaurants Südafrikas mithalten kann. Aber eine interessante Erfahrung war es trotzdem.
Am nächsten Tag verlassen wir Kapstadt und fahren nach Stellenbosch, dem Zentrum der südafrikanischen Weinproduktion. Unzählige Weingüter haben sich hier zu verschiedenen Weinrouten zusammengeschlossen und warten darauf, entdeckt zu werden. Da die meisten Weingüter auch über eigene Restaurants verfügen, könnte man hier Wochen und Monate verbringen und würde trotzdem nicht jeden Wein probieren und jedes Restaurant testen können.
Zunächst einmal spazieren wir aber durch den historischen Stadtkern von Stellenbosch mit seinen vielen kleinen Boutiquen, Galerien und Cafés. Im Gegensatz zu vielen anderen Destinationen weltweit findet man hier nicht die üblichen touristischen Kitsch- und Nippesläden, sondern hochwertige und lokale Produkte – sei es Kunst, Bekleidung, Accessoires, Wein oder Essen.
Nach einer Weile bleiben wir bei Melissas hängen, einem kleinen Bistro mit angeschlossenem Delikatessenshop an der Dorp Street. Eigentlich wollen wir nur einen Cappuccino trinken, aber die frischen Salate und Brote sehen so gut aus, dass wir auch noch einen kleinen Mittagssnack dazunehmen.
Unser nächster Stopp ist das Zevenwacht Weingut etwas außerhalb von Stellenbosch. Das ganze Gelände mit Weinproduktion, Restaurants, Hotels und Residential Estate wirkt fast wie ein Dorf für sich. So richtige Weinbergromantik kommt hier nicht auf. Aber Zevenwacht ist eines der ganz wenigen Weingüter Südafrikas, welches einen Primitivo anbaut, einen meiner italienischen Lieblingsrotweine. Den muss ich unbedingt probieren. Im Tasting Room kann man übrigens neben Wein auch Käse aus eigener Produktion verkosten.
Abends steuern wir dann das Jordan Weingut an, wo wir einen Tisch im gleichnamigen Restaurant ergattern konnten. Die Anfahrt entlang verschiedener Weinfarmen ist schon recht spannend, der Ausblick auf die Berge im Sonnenuntergang ist atemberaubend. Jordan schwankt irgendwo zwischen klassischem Kapweingut und modernem Ambiente. Das spiegelt sich sowohl in der Ausstattung des Restaurants als auch bei den Gerichten auf der Speisekarte wider. Es werden in der Küche ausschließlich frische und lokale Produkte verwendet, daher ist die Anzahl täglich wechselnden Vor-, Haupt- und Nachspeisen recht übersichtlich. Es ist aber für jeden von uns was dabei. Mein Starter ist ein Lammkarree mit Karottenpüree an Orangen-Vanille-Soße. Als Hauptgericht wähle ich den Yellowtail mit Bouillabaisse-Soße, geräucherten Muscheln und Oliven-Crostinis. Wir erfahren, dass Jordan zu recht zu den Top Ten Restaurants von Stellenbosch gehört.
Für unser Drei-Gänge-Menü inkl. Getränken und Trinkgeld haben wir jeder im Schnitt etwa 40 bis 50 Euro bezahlt. Für ein Essen dieser Klasse hätten wir zu Hause locker das Doppelte oder Dreifache ausgegeben. Hervorzuheben ist übrigens noch der „Cheese Room“ des Restaurants. Wer kein Dessert mag und lieber den Abend mit Käse abrundet, wird vom Kellner in einen kleinen Kühlraum geführt, wo man sich seine Käseplatte selbst zusammenstellen kann.
Am nächsten Tag ist es wolkenlos und bereits vormittags knapp 30 Grad heiß. Die Weingebiete haben aufgrund ihrer durch Bergketten geschützten Lage immer ein paar Grad mehr zu bieten, als das recht windige Kapstadt. Solche Temperaturen sind eigentlich nicht so ideal, um den ganzen Tag mit Weinproben zu verbringen. Aber deshalb sind wir ja hier. Unsere erste Station ist das Delheim Weingut in den Simonsberg Mountains. Es geht eine enge Straße den Berg hinauf. Der Ausblick von hier oben ist fantastisch. Delheim ist bekannt für seine Süß- und Dessertweine Edelspatz und Spatzendreck. Letzterer ist jüngst als limitiertes Spitzencuvée erschienen, nur 2400 Flaschen wurden abgefüllt. Aber auch bei den trockenen Weinen dominieren bei Delheim die Weissen, bei den Roten ist der Cabernet Sauvignon hervorzuheben.
Es ist bereits fast mittags, als wir bei unserer nächsten Station ankommen, dem Clos Malverne Weingut im wunderschönen Devon Valley. Im Gegensatz zu anderen Produzenten der Region ist die Farm recht übersichtlich und strahlt eine gemütliche Gelassenheit aus. Wir lassen uns im kühlen Schatten einiger Bäume nieder und studieren das Weinangebot. Bei Clos Malverne überwiegen die Roten, aber es gibt auch einen Chardonnay und einen Sauvignon Blanc. Bei den Temperaturen sind die Weissen fast angenehmer zu probieren. Hervorzuheben sind zum einen der Rosé-Sekt aus Shiraztrauben als „Methode Cap Classique“ ausgebaut sowie der Le Café Pinotage, der im Abgang wirklich tolle Röstaromen wie bei einer Tasse Mokka hervorzaubert. Bei dem tollen Wetter und der schönen Umgebung lassen wir uns viel Zeit bei der Weinprobe und genießen das Hier und Jetzt.
Clos Malverne hat auch ein sehr beliebtes Restaurant, welches seltsamerweise nur mittags geöffnet hat. Da es nach Ende unserer Weinprobe bereits kurz nach 13 Uhr ist, fragen wir, ob spontan noch ein Tisch zu bekommen ist. Wir haben Glück und es ist noch etwas frei. Schon erstaunlich, dass sich hier mitten im Nirgendwo an einem normalen Wochentag so viele Leute zum Lunch einfinden.
Das Ambiente des Restaurants ist stylisch-schlicht, der Ausblick auf die Weinberge toll. Das Angebot auf der Speisekarte ist klassisch südafrikanisch, die Speisen sind hochwertig und edel präsentiert, die Menge ist für ein Lunch erstaunlicherweise recht üppig. Als Vorspeise wähle ich Butternut und Ziegenkäse im Teigmantel und als Hauptspeise ein Springbok Filet mit Parmesan-Kartoffel-Kroketten und Rotwein-Beeren-Sauce. Beides ist total lecker und auch preislich sehr attraktiv. Der allerletzte Wow-Effekt bleibt aber aus. Vielleicht sind wir von den letzten Abenden einfach schon zu verwöhnt.
Weiter geht es hinauf auf den atemberaubenden Helshoogte Pass, der Stellenbosch und Franschhoek miteinander verbindet. Hier oben liegen zwei High End Weingüter, die aber unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite liegt Delaire-Graaff, ein modernes Luxusareal mit Fünf-Sterne-Boutique-Hotel, Spa, Spitzenrestaurant und Diamanten-Boutique. Die Hotelgäste werden mit kleinen Golfcarts über das Gelände gefahren. Auf der anderen Seite liegt Tokara, ein modern-schlicht gehaltenes Weingut ebenfalls mit Spitzenrestaurant und Delikatessenshop. Kurze Spazierwege führen durch die Weinberge und den restauranteigenen Kräutergarten. Beide Weingüter haben eine fantastische Aussicht auf die Berge und in das Tal.
Wir starten mit der Weinprobe bei Delaire-Graaff. In dem luxuriösen Ambiente und zwischen den vielen sehr wohlhabenden Hotelgästen wirken wir in Jeans und T-Shirt irgendwie ein wenig Fehl am Platz. Entsprechend steif läuft die ganze Weinprobe auch ab, kein Vergleich zu der eher gemütlichen Atmosphäre von heute Vormittag. Das Angebot von Weissen und Roten hält sich in etwa die Waage. Besonders gut kommen bei uns der Sauvignon Blanc und der Shiraz an.
Anschließend überqueren wir einmal die Hauptstraße und landen gefühlt in einer völlig anderen Welt. Bei Tokara dominiert moderner Purismus. Statt überbordendem Luxus steht hier das Produkt im Vordergrund, also der Wein. Und natürlich das Restaurant, eines der besten in Stellenbosch. Im Restaurant haben wir abends eine Reservierung. Also gehen wir zum Wine Tasting Room, vorbei an gläsernen Wänden, die einen eindrucksvollen Blick in den Weinkeller erlauben.
Bei Tokara dominieren die Weissen, der Sauvignon Blanc ist einer der besten Weissweine Südafrikas. Selbst die Einsteigervariante aus der Tokara Collection hat bei Platters vier Sterne bekommen. Und der noch bessere „große Bruder“ aus der Reserve Collection bietet ein wirklich sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Aber auch der Chardonnay schmeckt uns gut und der Syrah ist ebenfalls nicht zu verachten. Nach vier Weinproben am heutigen Tag lassen wir es gut sein, mehr können die Geschmacksknospen nicht mehr aufnehmen.
Wir freuen uns auf das Highlight des heutigen Abends: unser Dinner im Tokara Restaurant. Ich hatte bereits das Vergnügen, zweimal hier zu essen. Mal sehen, wie es dem Rest der Gruppe so gefällt. Das Ambiente ist wie das ganze Weingut in schlichtem Schick gehalten. Die Küche bietet zeitgenössische, moderne und auf lokale Produkte ausgerichtete Speisen mit südafrikanisch-internationalem Flair. Als Vorspeise wähle ich Beef Tartar auf Sushi-Reis mit Birnen und asiatischen Gurken, eine wahre Geschmacksexplosion. Als Hauptgang gibt es für mich Springbok, zum zweiten Mal am heutigen Tag. Aber im Gegensatz zu der ganz klassischen Variante heute Mittag im Clos Malverne besticht die Tokara-Version durch unglaubliche Kreativität, optisch wie geschmacklich. Das auf der Karte eher nüchtern lautende Blumenkohlpurée ist der Hammer, die Pflaumensoße gibt mir den Rest. Diese beiden Gänge verdienen ohne Zweifel das Prädikat „weltklasse“.
Sowohl unser Fotograf Markus als auch ich sind keine Süßspeisen-Fans, daher entschieden wir uns die letzten beiden Abende immer für die Käseplatte. Heute hat Markus die geniale Idee, als „Dessert“ einfach noch einmal das sagenhafte Beef Tartar zu bestellen. Ein Wunsch, der unseren ansonsten vorbildlichen und freundlichen Kellner völlig aus dem Konzept bringt. Wir müssen ihm drei Mal erklären, dass wir wirklich eine der Vorspeisen als Nachspeise bestellen möchten. Richtig glauben kann er es immer noch nicht, denn nun kommt der Küchenchef höchstpersönlich an unseren Tisch, um sich unsere scheinbar sehr ungewöhnliche Bestellung rückbestätigen zu lassen. Im Gegensatz zu unserem Kellner hat er aber ein breites Grinsen im Gesicht und wir erhalten problemlos das Tartar, während sich der Rest der Gruppe über das Chocolate Mousse hermacht. Bleibt noch die Anmerkung zum Schluss, dass wir wieder deutlich unter 50 Euro pro Person für diesen Abend geblieben sind, inkl. Getränke und Trinkgeld.
Wir verlassen Stellenbosch am nächsten Tag und fahren über den Franschhoek Pass und entlang des Theewaterkloof Staudamms in Richtung Robertson, wo die klassischen Kap-Weingebiete aufhören und die Kleine Karoo Halbwüste beginnt. Die Region hat in den letzten Jahren mit einigen Spitzenweinen und erstklassigen Restaurants auf sich aufmerksam gemacht.
Unterwegs machen wir Halt in Over-Hex im hiesigen Winkel (afrikaans für Geschäft). Diese kleinen Tante-Emma-Läden sind die Nahversorger außerhalb der größeren Orte und Städte. Unser heutiges Mittagessen fällt deutlich bodenständiger aus als die letzten Tage. Es gibt Cola und Chips. Und eine coole Fotosession vor einer nicht genutzten Werbetafel.
Unser nächster Stopp gilt einer weiteren Leidenschaft von uns. In Robertson steht die Klipdrift Destillerie, eine der größten Brandy-Produzenten des Landes. Schon auf dem Parkplatz schlägt uns der süßliche Branntweingeruch entgegen. Entsprechend gilt hier absolutes Rauchverbot (kein Witz), welches der Parkplatzwächter auch rigoros durchsetzt.
Im Tasting Room werden wir freundlich empfangen und bekommen zur Begrüßung erstmal einen Brandy Ginger-Ale Cocktail. Sehr lecker. Anschließend werden wir zu Tisch gebeten und bekommen die fünf hauseigenen Brandys zum Probieren serviert. Während sich die fünfjährige Einsteigervariante eher für Longdrinks und Cocktails eignet, mundet uns der Klipdrift Gold, ein Verschnitt aus bis zu 21-jährigen Fasslagerungen, am besten. Eine Spezialität ist der Klipdrift Black Gold, ein Brandy mit Kaffee- und Schokoladenaroma. Dieser ist uns aber zu süß und erinnert uns eher an einen Likör.
Weiter geht es zu unser nächsten Unterkunft etwas außerhalb von Robertson, dem Fraai Uitzicht 1798 Weingut. Die beiden deutschen Auswanderer Sandra und Karl-Uwe haben sich hier ihr kleines Paradies geschaffen. Das Gesamtpaket aus gehobenem Vier-Sterne-Gästehaus, Weinfarm, Spitzenküche und einmaliger Lage ist fast nicht zu toppen. Wir hüpfen noch kurz in den Pool und genießen dann als Sundowner einen Fraai Uitzicht Merlot mit Blick auf die Weinberge. Die Weine der Farm sind übrigens nur hier vor Ort erhältlich.
Zum Glück hat sich das Wetter gehalten und wir können zum Dinner draußen auf der Terrasse Platz nehmen. Bei der Aussicht wäre es wirklich schade gewesen, drinnen zu essen. Das Ambiente ist eher rustikal. Typisch Farm eben. Aber das Essen hat es in sich. Während Karl-Uwe die Gäste bedient, steht Sandra in der Küche und bereitet ein Drei-Gänge-Menü vom Feinsten zu: traditionell südafrikanische Country Cuisine, modern interpretiert und präsentiert. Jeder Gang ist optisch und geschmacklich ein echtes Highlight. Dazu gibt es jeweils einen korrespondierenden Wein.
Als Vorspeise wähle ich die Madeiran Tomato Soup, mit Ingwer und ein wenig Curry abgeschmeckt. Unser Fotograf Markus bestellt gleich noch eine zweite Portion hinterher. Unser Lunch war ja auch eher spärlich. Mein Hauptgang ist das Karoo Lamm in Parmesankruste auf Ratatouille-Gemüse mit Rosmarin-Kartoffeln. Als Dessert bestelle ich jetzt eine zweite Portion der Tomatensuppe, während der Rest der Gruppe sich über das Passionsfrucht Panna Cotta bzw. das Schokoladenfondant mit Vanille-Joghurt-Creme und Merlot-Sirup hermacht. Die Vorspeise als Nachtisch ist irgendwie unser Running Gag geworden.
Am nächsten Tag verlassen wir die Weingebiete und fahren auf der Route 62 durch die Kleine Karoo Halbwüste. Die ganz edlen Tropfen und Haute Cuisine lassen wir nun hinter uns. Aber auch das trockene Hinterland des Western Capes hat kulinarisch einiges zu bieten, wenn auch deutlich bodenständiger, dafür aber immer ehrlich und von Herzen.
Zwischen Ashton und Montagu am Kogmanskloof Pass liegt das Tor zur Route 62. Der in den Felsen geschlagene kurze Tunnel von 1878 ist ein beliebtes Fotomotiv. Aber heute bietet sich unseren Kameras noch ein weiteres eindrucksvolles Bild. Rund um die Sonne hat sich ein regenbogenartiger Kreis gebildet, ein sogenannter Halo. Er entsteht, wenn sich das Sonnenlicht an Eiskristallen in der Atmosphäre bricht. In derartiger Perfektion habe ich dieses Phänomen noch nie gesehen.
Weiter geht es durch die wunderschöne Einsamkeit aus Felsen, Bergen und endlosen Farmen. Unser nächster Stopp kurz hinter Barrydale ist der wohl berühmteste Pub des Landes. Die Rede ist natürlich von Ronnies Sex Shop. Der Mythos beruht hauptsächlich darauf, dass vor vielen Jahren ein paar Spaßvögel – wahrscheinlich nicht mehr ganz nüchtern – die Werbeaufschrift von Ronnies Shop um das Wort „Sex“ erweitert haben. Seitdem hat sich kein Vorbeireisender dieses Fotomotiv mehr entgehen lassen. Und Ronnie lebt bestimmt nicht schlecht davon, den perfekten Stopover zwischen den Weingebieten und der Straußenhauptstadt Oudtshoorn sein Eigen zu nennen.
Nachdem wir pflichtbewusst ein kühles Bier bestellt und selbstverständlich unsere Visitenkarten an der Wand hinterlassen haben, beschließen wir noch einen kleinen Happen zu essen. Immerhin ist es bereits kurz nach eins. Was anderes würde besser in diese perfekte Wild-West-Szenerie passen als ein deftiger Burger mit Pommes. Endlich mal das Gegenteil von internationaler Spitzenküche. Aber natürlich trotzdem lecker. Für einen Burger mit Pommes eben.
Wir fahren weiter entlang der malerischen Route 62 durch die kleinen Örtchen Ladismith und Calitzdorp mit Ziel Oudtshoorn. Auch hier im trockenen Hinterland haben sich in den letzten Jahren ein paar Weingüter angesiedelt. Deren Weine sind durchaus trinkbar, auch wenn sie natürlich noch nicht die Spitzenqualität der Gewächse von Stellenbosch, Franschhoek oder Robertson aufweisen. Hier in der Kleinen Karoo ist alles noch viel einfacher, ehrlicher und gemütlicher.
In Oudtshoorn übernachten wir stilecht auf einer Straußenfarm etwas außerhalb der Stadt mit tollem Blick über das endlose Farmland und auf die Berge. Passend zu den hohem Temperaturen hier in der Halbwüste trinken wir erstmal ein kühles Bier zum Sonnenuntergang. Sicherlich gibt es auch in Oudtshoorn einige gute Restaurants mit gehobener Küche. Allerdings bietet unsere Unterkunft auch ein Abendessen an. Nach den vielen Kilometern, die wir heute gefahren sind, entscheiden wir uns hier zu bleiben.
Der Speiseraum ist rustikal eingerichtet. Es gibt ein echtes und ehrliches Drei-Gänge-Country-Menü ohne viel Schnick-Schack, so wie ein Dinner auf einer Farm sein muss. Die Vorspeise ist eine Butternut Soup, eine südafrikanische Spezialität und eine meiner Lieblingssuppen. Mehr muss eine Suppe nicht können. Als Hauptgang gibt es natürlich Strauß. Ganz klassisch in Rotweinsoße mit Gemüse und Potato Wedges. Das Filet ist super zart und total lecker. Halt frisch von der Farm und mit 300 Gramm eine ordentliche Portion. Als Nachtisch gibt es Malva Pudding, noch so eine lokale Spezialität, eher ein Kuchen als ein Pudding.
Insgesamt gehen wir mit weniger als 25 Euro pro Person aus dem Rennen, wieder inkl. Getränke und Trinkgeld. Im Gegensatz zu den ganzen internationalen Köstlichkeiten der letzten Tage haben wir heute eigentlich zu ersten Mal richtig typisch südafrikanisch gegessen. Der Klein Karoo Rotwein rundet einen perfekten Abend ab. Bleibt nur noch der sensationelle Sternenhimmel hier draußen in der Einsamkeit zu erwähnen. Müde fallen wir ins Bett.
Zum Frühstück erwartet uns dann ein deftiges Straußenei-Omelette mit Speck und Toast. Noch so ein typisches Farm-Essen. Ein Straußenei entspricht übrigens etwa 25 Hühnereiern. Die Zubereitung des Omelettes ist ein echter Hingucker.
Gut gesättigt verlassen wir die trockene Halbwüste und fahren über den Outeniqua-Pass zur berühmten Garden Route am Indischen Ozean. Wo die Garden Route beginnt, wo sie endet und warum sie diesem Namen überhaupt trägt, ist nicht so ganz sicher. Der schönste Teil liegt jedenfalls zwischen Wilderness im Westen und dem Tsitsikamma Nationalpark im Osten. Es ist hier das ganze Jahr ungewöhnlich grün, selbst im Hochsommer. Im Frühling steht die Fynbosvegetation in voller Blüte. Dieser Teil Südafrikas erinnert optische eher an Kanada oder Skandinavien mit vielen Flussmündungen, Lagunen und Seenlandschaften entlang der Küste sowie einem großen Bestand an ursprünglichen Wäldern im Hinterland.
Auf unserer Fahrt kommen wir auch durch die eher industriell geprägte Stadt George und werden Zeuge eines aktuellen südafrikanischen Phänomens. Da das Land mehr Energie verbraucht als es bereitstellen kann, wird im Wechsel immer mal wieder regional verteilt der Strom für mehrere Stunden abgeschaltet. Load Shedding heißt diese Maßnahme, an die sich die Südafrikaner mittlerweile gut angepasst haben. Auf der gesamten Hauptstraße von George funktioniert nicht eine einzige Ampel. In Deutschland würde dies zu einem Verkehrschaos sondergleichen führen. Aber hier läuft alles ruhig und gesittet ab. Querverkehr und Abbieger werden immer nach etwa zehn Fahrzeugen durchgelassen. Kein Polizist muss irgendetwas regeln, es wird auch nirgendwo gehupt. Das nenne ich mal Disziplin.
Bei Wilderness erreichen wir den Ozean und blicken von einer kleinen Bergkuppe herab auf den scheinbar endlosen Strand. Wir hauen uns ein Stündchen in den Sand und testen auch das Meer, welches hier nicht so warm ist wie im Norden Südafrikas, aber deutlich angenehmer als am von kühlen Atlantikströmungen geprägten Kap. Die Wellen sind mannshoch und es gibt keine Life Guards, also müssen wir gut aufpassen, nicht zu tief ins Wasser zu gehen.
Direkt am Strand ist ein Café-Restaurant mit fantastischem Ausblick. Da wir vom Frühstück immer noch gut gesättigt sind, beschließen wir nur etwas zu trinken. Die Spezialität des Hauses ist ein Red Cappuccino, bei dem das kochende Wasser statt durch gemahlenen Espresso durch Rooibos-Teepulver in den Milchschaum gepresst wird. Das ist mal ganz was anderes.
Weiter geht es entlang der Küste durch dichte Wälder und vorbei an üppigen Seenlandschaften bis zum touristischen Zentrum der Garden Route, dem kleinen Örtchen Knysna mit seiner vorgelagerten Lagune. Früher war Knysna mal das Zentrum der südafrikanischen Austernzucht. Die Feinschmecker-Muscheln sind auch heute in den hiesigen Restaurants immer noch auf der Speisekarte zu finden, allerdings stammen sie nun meist aus anderen Küstenregionen des Landes.
Der kleine Ort bietet eine Unmenge an Shops, Boutiquen, Cafés und Restaurants, einige davon mit gehobenem Anspruch. Doch bei uns steht heute Abend ein ganz besonderes Event auf dem Programm: ein traditionelles südafrikanisches Braai. Man kann Braai jetzt nicht einfach mit Grillen oder Barbecue übersetzen. Ein Braai wird zelebriert, es ist nicht einfach nur ein Abendessen. Bereits am späten Nachmittag wird ein Feuer angezündet. Gegrillt wird nämlich nicht auf Holzkohle oder Briketts, sondern auf der Glut des heruntergebrannten Feuers. Da diese Glut aus Holzscheiten natürlich viel schneller stirbt, wird neben der eigentlichen Grillstelle immer noch ein zweites Feuer als neuer Glutlieferant betrieben.
Gegrillt wird alles, was die Fleischtheke so hergibt: Rindersteaks, Hühnerspieße, Straußenfilets und Lammkoteletts. Und natürlich die typische Boerewors, eine Bratwurstschnecke in den Ausmaßen einer Langspielplatte. Dazu gibt es frisch gebackenes Brot und verschiedene Salate. Und natürlich ein kaltes Bier. Oder auch zwei oder drei. Ein Braai kann ohne Probleme bis nach Mitternacht dauern. Wir beenden den Abend kugelrund gefuttert mit einem Brandy. Eigentlich war für heute Regen angesagt, aber das Wetter hat sich zum Glück gehalten und wir genießen auf der Terrasse unseres Gästehauses den Blick über die Lagune und den kleinen von Straßenlaternen erleuchteten Ort.
Am nächsten Tag heisst es bereits wieder Abschied nehmen, unser Südafrika-Trip geht leider viel zu schnell zu Ende. Ein kleines Highlight wartet aber noch auf uns. Da wir von George über Johannesburg nach Hause fliegen, stoppen wir unterwegs in Sedgefield, einem kleinen verträumten Ort zwischen Wilderness und Knysna. Samstags vormittags findet dort der Wild Oats Farmers Market statt, auf dem die Farmen der Umgebung ihre frischen Produkte verkaufen und auch verschiedenste Speisen und Getränke anbieten. Ein wenig Kunst und Kitsch gibt es auch, aber da der Markt hauptsächlich von lokalen Einwohnern besucht wird, besteht kaum die Gefahr einer Touri-Abzocke.
Mit etwas Glück finden wir auf einer Wiese in der Nähe noch einen Parkplatz. Am Eingang zum Markt steht eine Jazzkapelle bestehend aus sechs farbigen Musikern und spielt die Titelmelodie von Heidi. Sehr skurril. Da wir gerade erst gefrühstückt haben und in ein paar Stunden im Flugzeug sitzen werden, genießen wir einfach den bunten Trubel und lassen uns mit der Menge treiben, ohne ein bestimmtes Ziel vor den Augen zu haben.
Anschließend machen wir noch einen kleinen Schlenker zum Strand von Sedgefield, der ebenfalls wieder atemberaubend schön ist. Jeder aus unserer Gruppe nimmt leise Abschied von einer interessanten und vielseitigen Woche voller kulinarischer Höhepunkte.
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