Oliver an der Wild Coast – Pleiten, Pech und Pannen?
Es ist eine langjährige Tradition, dass wir vor der Indaba, der jährlich im Mai stattfindenden Tourismusmesse in Durban, ein Vorprogramm einlegen. Da es für uns (leider) nichts Neues mehr in Südafrika zu entdecken gibt, wiederholen wir einfach gewisse Regionen bzw. bewegen uns etwas abseits der ausgetretenen Pfade.
Dieses Jahr wollen wir von Port Elizabeth nach Durban mit dem Auto fahren, entlang der ursprünglichen Wild Coast im Eastern Cape. Hier liegen definitiv einige der schönsten und einsamsten Küstenabschnitte des Landes. Das letzte Mal war ich vor über zehn Jahren hier. Andere Regionen des Landes haben sich seitdem rasant verändert. Ich bin gespannt, wie es der Wilden Küste in der Zwischenzeit ergangen ist, die im Tourismus immer noch nicht so richtig angekommen zu sein scheint.
Tag 1
Wir landen pünktlich nach einem entspannten Nachtflug mit der British Airways in Johannesburg. Bis zum Weiterflug nach Port Elizabeth ist noch genügend Zeit, um sich etwas frisch zu machen und in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Denken wir. Da nationale Flughäfen in Südafrika keine Zollkontrolle haben, müssen alle Reisenden ihre Koffer in Johannesburg abholen, durch den Zoll gehen und für den nationalen Weiterflug erneut einchecken. Ein Prozedere, welches wir schon hundert Mal mitgemacht haben. Allerdings immer mit unseren eigenen Koffern. Beim Einchecken zum Weiterflug nach Port Elizabeth bemerken wir, dass wir einen Koffer dabei haben, der gar nicht uns gehört. Da haben wir wohl das falsche Gepäckstück vom Band genommen. Schwarze Trolleys sehen aber auch alle irgendwie gleich aus.
Also im Eiltempo durch den Flughafen zurück zum Bereich der Internationalen Ankunft. Einem Flughafenmitarbeiter erklären wir unsere Situation und er bringt uns durch den Mitarbeitereingang (mit eigener Sicherheitsschleuse) zurück in den Gepäckausgabebereich vor der Zollkontrolle. Eine derart schnelle und unbürokratische Hilfe hätte ich jetzt so nicht erwartet und wäre auf europäischen Flughäfen sicherlich undenkbar gewesen. Am Gepäckschalter der British Airways finden wir unseren richtigen Koffer und geben den falschen zurück. Den rechtmäßigen Besitzer des anderen Koffers treffen wir auch, und er ist nicht mal wirklich sauer. Eher froh, dass sein Koffer so schnell wieder aufgetaucht ist.
Im Eiltempo geht es zurück zum Nationalen Abflug und wir können endlich und mittlerweile kurz vor knapp zu unserem Flug nach P.E. einchecken. Wirklich Zeit zum Frischmachen haben wir nicht mehr und den Kaffee gibt’s dann halt im Flieger. Als wir nach einem knapp 90-minütigen Flug landen, ist es bereits Mittag. Zum Glück ist der Flughafen von P.E. recht übersichtlich und nach wenigen Minuten sitzen wir bereits in unserem Mietwagen, einen Toyota 4×4. Ein Allradfahrzeug ist für Südafrika eigentlich nicht notwendig, denn die wenigen unbefestigten Straßen sind eigentlich in einem so guten Zustand, dass sie auch mit einem normalen PKW befahren werden können. Aber wir reisen zu fünft mit Gepäck und Fotoausrüstung, da brauch man halt entsprechenden Platz.
Bevor wir zur Wild Coast aufbrechen, machen wir noch einen Abstecher zum Addo Elephant Park. Die privaten Wildreservate des Eastern Capes haben wir kürzlich erst besucht, jetzt ist mal wieder der staatliche Park an der Reihe, sowie die Gästehäuser und Lodges der Umgebung. Nach knapp 45-minütiger Fahrt haben wir unser erstes Ziel erreicht, eine gemütliche Lodge in einem kleinen privaten Reservat bei Uitenhage. Die Lodge ist wirklich nett und der Ausblick von der Terrasse wunderschön. In dem kleinen Reservat leben einige Antilopenarten, Zebras und sogar Giraffen, die im staatlichen Addo Elephant Park gar nicht vorkommen. Die Besitzer der Lodge sind sehr freundlich und haben extra ein Mittagessen für uns vorbereitet. Da wir eben erst im Flieger zum zweiten Mal gefrühstückt haben und noch ein straffes Programm vor uns liegt, müssen wir leider ablehnen. Die Vorspeise, verschiedene Biltong-Sorten, lassen wir uns aber nicht entgehen.
Weiter geht es über Kirkwood nach Addo, dem kleinen Ort, der dem Park seinen Namen gab. Unterwegs machen wir noch einige Site Inspections bei Gästehäusern, Lodges und Boutique-Hotels. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir den Park für unsere vorgebuchte Pirschfahrt, dieses Mal die einzige während unseres ganzen Aufenthalts. Doch der Vorfreude folgt die Ernüchterung. Wir sehen kaum Tiere, ein paar Elefanten (sollte ja auch so sein), ein paar Antilopen, Gnus sowie Zebras, und das war’s. Ich sehe mich in meiner Meinung bestätigt, dass man in den privaten Wildreservaten viel bessere Tierbeobachtungen machen kann, als in den staatlichen Nationalparks. Oder haben wir einfach nur Pech gehabt? Der spektakuläre Sonnenuntergang entschädigt allerdings ein wenig. Es ist bereits dunkel, als wir unsere Unterkunft in der Nähe des Parks erreichen. Das Essen ist wunderbar und wir lassen den Abend mit einem Glas Rotwein am Kamin ausklingen, der extra auf unseren Wunsch befeuert wurde. Müde fallen wir ins Bett.
Tag 2
Nach einem kräftigen Frühstück verlassen wir die Addo-Region, die recht intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. So richtiges Busch-Feeling ist bei uns nicht aufgekommen. Wir fahren weiter in Richtung Ozean und folgen der Küstenstraße R72 über Kenton-On-Sea und Port Alfred bis nach East London. Immer wieder machen wir Site Inspections bei wirklich schönen Gästehäusern. Diese Region ist bei internationalen Touristen noch recht unbekannt, es sind eher die Südafrikaner, die hier Urlaub machen. Wir sind erstaunt, dass wir trotzdem den einen oder anderen deutschen Gästehausbesitzer kennenlernen. Je weiter wir uns von P.E. entfernen, desto ursprünglicher wird die Küste.
Jetzt verlassen wir aber wieder kurz die Küste und fahren zu einem der ungewöhnlichsten Orte Südafrikas, nach Hogsback. Durch endloses Farmland erreichen wir endlich die Ausläufer der Amatola Mountains nordwestlich von King Williams Town. Eine kleine Straße schlängelt sich die Berge hinauf und plötzlich sind wir in einer komplett anderen Welt. Direkt am Ortseingangsschild von Hogsback endet die geteerte Straße und wir befinden uns in einem dichten Wald, der immer wieder tolle Ausblicke auf die Berge freigibt. Der Bayerische Wald lässt grüßen, ein Anblick, der für uns Mitteleuropäer ja eigentlich nichts ungewöhnliches ist. Aber dass es so einen Ort mitten in Südafrika gibt, ist schon verrückt. Viele Küstenbewohner suchen hier im Hochsommer Schutz vor der Hitze oder kommen im Winter, um einmal in ihrem Leben Schnee anzufassen.
Die dichten Wälder mit unzähligen Flüssen und Wasserfällen laden zu ausgiebigen Wanderungen ein. Die ganze Gegend strahlt etwas Mystisches aus, keine Wunder also, dass man im Ort neben vielen Gästehäusern und Boutiquen verschiedene esoterische Skurrilitäten entdecken kann.Es gibt ein Elf-Kreis-Labyrinth vom Chartres-Typ mit einer Gehlänge von 1,4km (rein und wieder raus), welches damit angeblich eines der größten der Welt ist. Und Diana Graham hat auf ihrem privaten Waldstück einen Eco-Shrine erstellt und hilft Besuchern gerne beim Einswerden mit der Natur.Aber auch für ganz Bodenständige ist Hogsback einfach etwas Besonderes. Hier oben gibt es sie noch, die echte Stille, die klare Luft, die dichten Wälder und die große Einsamkeit. JRR Tolkien, der Autor der „Herr Der Ringe“-Trilogie, wurde in Südafrika geboren. Lange Zeit glaubte man, dass er das Licht der Welt in Hogsback erblickte. Heute weiß man, dass er nie dort gewesen ist. Trotzdem erinnert die Umgebung so stark an Mittelerde, dass man hinter jedem Baumstamm und jedem Felsen nach Hobbits oder Elben Ausschau hält.
Wir sind froh, dass wir morgen einen halben Tag Zeit in unserem ansonsten sehr straffen Zeitplan haben, um diesen einmaligen Ort ein wenig hautnah erleben zu können. Wir übernachten in einem Selbstversorger-Bungalow am Rande einer tiefen Schlucht. Wir grillen und feuern abends den Kamin an. Solange die Sonne noch schien, war T-Shirt-Wetter. Jetzt nach Sonnenuntergang ist es empfindlich kalt geworden. Das Feuer und der Rotwein wärmen. Es ist erstaunlicherweise der schönste Abend auf unserer Tour.
Tag 3
Nachdem wir ein paar Stunden durch den Wald gewandert sind, heißt es Abschied nehmen von Hogsback. Dachten wir. Der Tank ist leer und wir fahren zur einzigen Tankstelle des Ortes. Mit unserem 4×4 halte ich an der Dieselzapfsäule (die kleine Tankstelle hat genau zwei Zapfsäulen – eine für Benzin und eine für Diesel). Wie üblich in Südafrika wird das Betanken von einem Mitarbeiter übernommen und ich starte wieder den Motor. Ich komme genau 20m weit, dann säuft der Motor ab und lässt sich auch nicht mehr starten. Wir schauen uns ein wenig ratlos an und mir kommt ein böser Verdacht. Ich steige aus und überprüfe die Beschriftung des Tankdeckels. „Unleaded“ steht da, unser 4×4 ist also ein Benziner. Ungewöhnlich, aber natürlich nicht ausgeschlossen. Und wir haben es vorher nicht kontrolliert. Klar bin ich Trottel an die falsche Zapfsäule gefahren, aber der Mitarbeiter der Tankstelle sollte schon auch die unterschiedliche Bedeutung von „Diesel“ und „Unleaded“ kennen und lesen können.
Wenn ich Raucher wäre, würde ich mir wohl in so einer Situation erstmal eine Kippe anzünden. Vor meinem geistigen Auge versinkt unser ganzer schöner Zeitplan für heute und die nächsten Tage im Indischen Ozean. Was machen wir jetzt? Gibt es hier eine Werkstatt? Wie lange brauch unser Autovermieter, um uns ein Ersatzfahrzeug hier ins Nirgendwo zu liefern? Was kostet uns der ganze Spaß?
Mittlerweile haben auch der Tankstellenbesitzer und sein Mitarbeiter gemerkt, dass bei uns irgendwas nicht stimmt. Der Besitzer kommt zu uns und ich schildere ihm die Situation. Er entschuldigt sich tausend Mal, obwohl es ja auch zur Hälfte mein Fehler war. Er sieht mir meinen Frust an und meint dann: „Don’t worry – give me 30 minutes“. Nun bin ich kein Automechaniker, und mir war bis zu diesem Zeitpunkt nicht klar, dass es weit weniger schlimm ist, einen Benziner mit Diesel vollzutanken, als umgekehrt. Der Besitzer holt mehrere große Eimer und einen Schlauch und pumpt den Tank einfach leer. Dann sollen wir den Wagen zur Zapfsäule zurückschieben und er gibt mir noch grinsend den Spruch mit auf den Weg: „aber zur Benzinzapfsäule dieses Mal“. Den Spruch hat er sich verdient.
Wir tanken den Wagen mit Benzin voll und müssen dann solange den Starter quälen, bis der Rest Diesel aus den Leitungen verschwunden ist. Dazu hat der Besitzer den Leitungsschlauch vom Motor entfernt und versucht, das herausspritzende Diesel mit einem Eimer aufzufangen, was ihm mehr oder weniger gelingt. Ich denke an deutsche Umweltrichtlinien, gerade im Bezug auf die Handhabung von Kraftstoffen. Ich befürchte, dass der Besitzer solche Richtlinien nicht kennt, halte aber meine Klappe, da ich mehr als froh über die schnelle und unbürokratische Hilfe bin. Wir müssen die zweite Tankfüllung sogar nicht mal bezahlen. Das alles hätte uns in Deutschland mindestens einen Tag Zeit und ein schönes Sümmchen Geld gekostet.
Wir schlängeln uns wieder den Berg herunter und fahren zurück an die Küste. Etwas nördlich von East London liegt Cintsha, das Tor zur Wild Coast. Ich erinnere mich an meinen letzten Besuch hier. Wir kamen damals mit einer Ladenbesitzerin in Port Elizabeth ins Gespräch. Als wir ihr erzählten, dass wir die Strecke von Port Elizabeth nach Durban fahren wollten und nicht fliegen, fing sie fast an zu weinen. Sie versuchte alles, um uns von diesem Plan abzubringen. Sie rief sogar ihren Mann an, der uns am Telefon erzählen sollte, wie gefährlich unser geplantes Unterfangen denn sei. Wir sind aber trotzdem gefahren und haben ein wunderschönes Fleckchen Südafrika mit unheimlich freundlichen Menschen kennengelernt. Die Ladenbesitzerin war aber wohl wirklich der Meinung, wir schauten unserem sicheren Tod entgegen.
Wir erreichen unsere Lodge in spektakulärer Strandlage an der Mündung des Cinthsa Rivers. Zum Baden ist es hier im Mai schon etwas zu kalt, aber einen ausgedehnten Abendspaziergang barfuß am Strand lassen wir uns nicht nehmen.Cinthsa ist mit Sicherheit der touristisch am besten erschlossene Ort an der Wild Coast. Das tut der wunderschönen Umgebung aber keinen Abbruch. Man muss sich den Strand halt mit noch anderen Personen teilen, eher ungewöhnlich für die Wilde Küste.
Zurück in unseren Zimmern bemerken wir, dass wir Doppelbetten statt der gebuchten Twinbetten (zwei Einzelbetten) haben. An der Rezeption bietet man uns Extradecken an, um das Problem zu lösen. Zu mehr reicht es dann nicht. Das Abendessen in der Lodge ist ebenfalls eher Durchschnitt, ungewöhnlich in Südafrika. Am Strand findet morgen eine Hochzeit statt und die ganze Gesellschaft ist schon in die Lodge eingefallen. Das drückt vielleicht die Konzentration des Personals für die übrigen Gäste. Nach dem Essen besetzt auch die ganze Gesellschaft die Außenterrasse und wir müssen uns nach drinnen verziehen. Auch von den schüsselweise für die Gesellschaft aufgetischten Chips und Erdnüssen bekommen wir – auch auf Nachfrage – nichts ab (wir hätten selbstverständlich dafür bezahlt). Nach meiner Bemerkung, ob wir denn Gäste zweiter Klasse wären, beschließt der Barkeeper, gar nicht mehr mit uns zu reden. Es ist schon extrem selten, so unfreundlich in Südafrika behandelt zu werden. Nach diesem Pleiten-, Pech- und Pannentag wollen wir nur noch ins Bett. (Später treffe ich den Besitzer der Lodge auf der Messe und er versichert mir hoch und heilig, dass sich so etwas nicht noch einmal ereignet, dafür würde er persönlich sorgen.)
Tag 4
Der Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein und wir stehen auf unserem Balkon und blicken staunend auf das endlose Meer. Diese Aussicht entschädigt für alles andere. Die Wild Coast ist halt einfach wunderschön. Nach einem erstaunlicherweise relaxten und leckeren Frühstück (vielleicht wird dieser Tag einfach besser – er kann eigentlich nur besser werden) verlassen wir Cinthsa und folgen der N2 in Richtung Norden. Ich bin erstaunt über die gute Beschaffenheit der Straße. Vor zehn Jahren reihten sich hier noch Schlagloch an Schlagloch. Allerdings ist die Strecke sehr kurvig und hügelig und führt immer wieder durch kleine Orte und typische Xhosa-Dörfer. Man kommt hier viel langsamer voran als auf entsprechenden Überlandstraßen in anderen Regionen Südafrikas, das müssen wir mit Blick auf die immer weiter fortschreitende Zeit schmerzlich feststellen.Die N2 führt in großem Abstand zur Küste durch das Landesinnere. Dadurch hat sich die Ursprünglichkeit der Wild Coast fast vollständig erhalten, denn man erreicht sie nur durch kleine Stichstraßen, die meisten davon sind ungeteert. Was für Naturliebhaber ein absoluter Traum ist, sehen Kritiker als Grund für die immer noch große Unterentwicklung der ehemaligen Transkei und fordern einen Neubau der N2 direkt an der Küste entlang. Der Ausgang dieser Diskussion ist offen.
Die Region ist das Stammesgebiet der Xhosa. Nelson Mandela wurde hier in der Nähe von Mthatha geboren, ein Museum über drei Orte verteilt erinnert daran. Und genau daran kommen wir jetzt auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel vorbei: Coffee Bay. Die kleine Bucht ist über die einzige geteerte Stichstraße von der N2 aus zu erreichen, ein lohnender Abstecher. Der Strand und die grüne Küstenlandschaft sind atemberaubend.Unterwegs kommt man immer wieder an kleinen Xhosa-Dörfern mit ihren typischen reetgedeckten Rundhütten vorbei. Im Ort selber gibt es neben einem vernünftigen Hotel sowie einem vernünftigen B&B nur Unterkünfte von zweifelhafter Qualität. Ein wenig mehr Entwicklung wäre schon toll, oder doch nicht? Nach einem kurzen Sprung in den Ozean (war doch wärmer als gedacht) beenden wir den Tag auf der Außenterrasse unseres Hotels und genießen den einmaligen Ausblick auf das Meer. Der Tag ging irgendwie viel zu schnell rum, dafür gab es ausnahmsweise mal keine nennenswerten Pannen.
Tag 5
Nach dem Frühstück brechen wir auf zum „Hole In The Wall“ einer Natursteinbrücke im Ozean, etwa 20km über eine Schotterpiste von Coffee Bay aus zu erreichen. Der Weg entlang der Küste ist viel kürzer und kann auch erwandert werden, doch dazu fehlt uns leider die Zeit. Die Piste ist gut befahrbar, selbst mit einem normalen Wagen. Aber mit dem 4×4 macht es natürlich besonders viel Spaß. Kurz bevor wir wieder die Küste erreichen, taucht ein kleines Dorf vor uns auf und ein Parkplatz zum „Hole In The Wall“ ist ausgeschildert. Wir folgen dem Schild und fahren einen Hügel hinauf. Hier oben soll ein Parkplatz sein? An drei Seiten geht es steil bergab. Da wir die einzigen sind, Parken wir mitten auf dem Hügel, sicher ist sicher.
Unsere Ankunft ist das Highlight des Tages für die Dorfbewohner. Eine Gruppe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen findet sich schnell bei unserem Auto ein. Verschiedene Dienstleistungen wie Parkplatzbewachung oder geführte Wanderungen werden uns angeboten. Immerhin wollen sie uns keine Souvenirs verkaufen. Wir einigen uns auf die Parkplatzbewachung und spazieren los zum Loch in der Wand. Zwei der Kinder begleiten uns und haben einen Riesenspaß dabei.Die Umgebung ist einsam und wunderschön. Der Strand ist hier sehr steinig, also nichts zum Baden. Aber die Natursteinbrücke ist schon ein exklusives Fotomotiv und wird von allen Seiten ausgiebig geknipst. Zurück am Auto stellen wir fest, dass die befahrbare Fläche des Hügels ganz schön klein ist und unser 4×4 ganz schön groß ist und dass es an drei Seiten ganz schön steil bergab geht. Wir schauen uns etwas ratlos an. Entweder rückwärts die enge Auffahrt runter oder versuchen zu drehen. Die Gruppe der Dorfbewohner hat es sich in einigen Metern Entfernung gemütlich gemacht und schaut uns interessiert zu. Wir entscheiden uns für Wenden in dreißig Zügen und haben dann aber das Größenverhältnis Auto zu befahrbarer Hügelfläche doch etwas zu großzügig eingeschätzt. Plötzlich hängt ein Reifen in der Luft und wir schaffen es nicht, uns durch auch noch so vorsichtiges Navigieren aus dieser misslichen Lage zu befreien, ohne dabei noch weiter abzurutschen.
Plötzlich kommt leben in die Dorfbewohner. Jetzt zeigen sie uns die wichtigste Dienstleistung, die sie beherrschen: Autos vor dem Abgrund zu retten. Die Größeren stützen den Wagen und alle anderen schieben ihn vorsichtig zurück auf die Mitte des Hügels. Schon wieder so eine Situation, in der ich mir eigentlich eine Zigarette hätte anstecken müssen, wenn ich denn Raucher wäre. Als Lohn für ihre Dienstleistungen bekommen die Dorfbewohner hundert Rand in kleinen Scheinen, den überwiegenden Teil für die Autorettung, etwas weniger für die Autobewachung. Als wir später wieder bei klarem Gedanken sind, überlegen wir, ob das Ganze nicht ein abgekartetes Spiel war und die völlig unsinnige Parkplatzbeschilderung hinauf auf den Hügel vielleicht mit dem einen oder anderen Hintergedanken zum Verkauf ortsüblicher Dienstleistungen angebracht wurde. Zukünftigen Besuchern am „Hole In The Wall“ sei also zu Empfehlen, lieber unten an der Straße zu parken.
Wir fahren weiter in nördlicher Richtung und biegen bei Mthatha auf die R61 ab. Ich bin wieder überrascht über den guten Zustand der Straße. Allerdings gilt hier das gleiche wie für die N2. Die Strecke ist kurvig und hügelig und führt immer wieder durch kleine Orte und Dörfer. Wir brauchen also viel mehr Zeit, als wir gedacht hatten. Bei Port St. Johns erreichen wir wieder die Küste.
Die Gegend an der Mündung des Mzimvubu Rivers ist atemberaubend schön, die Strände einmalig. Wir hätten hier übernachten sollen, aber unser heutiges Ziel liegt noch etwas weiter im Norden. Wir mögen’s ja lieber abenteuerlich mit Pleiten,- Pech- und Pannengarantie.
Bei Lusikisiki verlassen wir die R61 und fahren weiter auf einer „unbefestigten Straße“, wie unsere Zielunterkunft es auf ihrer Wegbeschreibung nennt, bis an die Küste.Ich kenne unbefestigte Straßen in Südafrika zu genüge. Zu vielen Unterkünfte außerhalb der Städte muss man einige Kilometer auf guten unbefestigten Straßen fahren. Eigentlich überhaupt kein Problem. Außer bei dieser hier. Für die 14 Kilometer von Lusikisiki bis zur Lodge brauchen wir über eineinhalb Stunden. Mit einem 4×4. Anders wäre diese Strecke auch gar nicht zu bewältigen gewesen. Völlig ausgefahrene Sandpisten wechseln sich ab mit steinigen kleinen Pfaden. Hier begegnet man nur noch sehr selten weiteren Fahrzeugen.
Am Ende des Weges liegt tatsächlich ein Stücken Paradies, wie versprochen. Doch der Weg dorthin führt direkt durch die Hölle. Es ist bereits später Nachmittag, als wir endlich vor der Lodge parken. Wir sind (welch Wunder) die einzigen Gäste. Auf dem Parkplatz stehen außer unserem Toyota noch ein kleiner Golf Chico und ein Wohnwagen der Lodgebesitzer. Beide Fahrzeuge müssen mit einem Helikopter eingeflogen worden sein, soviel ist mal sicher.
Südafrika ist ein strukturell sehr gut erschlossenes Land. Selbst im tiefsten Busch am Krüger Park hat man niemals das Gefühl, wirklich weitab von jeglicher Zivilisation zu sein. Hier hat man es. Es gibt keinen Handyempfang. Der Strom wird von Solarzellen produziert, was den Betrieb von Mikrowellen oder Haartrocknern unmöglich macht. Der Kühlschrank läuft mit Gas, ebenso wird gekocht. Und während wir die letzten Sonnenstrahlen mit einem gekühlten Bier am Strand genießen, bereiten uns die beiden Lodgebesitzer aus einfachsten Mitteln ein wunderbares Abendessen. Nur der Vollständigkeit halber erwähne ich den atemberaubenden nächtlichen Sternenhimmel hier gefühlter Milliarden Kilometer entfernt jeglicher auch noch so geringer Lichtquellen.
Das Leben könnte so schön sein. Wäre da nicht der Gedanke an Morgen. Wo wir die gleiche Strecke nochmal zurück fahren müssen.
Tag 6
Das Frühstück ist einfach. Kaffee, Rusks, Cornflakes. Auf Hot Breakfast stehen wir nicht so (was wir sonst bekommen hätten). Dann heisst es rein ins Auto und auf durch die Hölle zurück in die Zivilisation. Da wir heute nur die Fahrt nach Durban auf dem Programm haben, hatte ich noch gestern Mittag die aberwitzige Idee, auf dem Weg einen kurzen Abstecher in das Mkambati Game Reserve zu machen. Dies hätte zusätzliche 15km auf dieser „unbefestigten Straße“ bedeutet, so wird diese Idee ebenso stillschweigend wie schleunig begraben.
Nach eineinhalb Stunden haben wir wieder festen Boden unter den Reifen und folgen der R61 weiter nordwärts. Unser Abenteuer an der Wilden Küste nähert sich dem Ende. Bei Port Edward verlassen wir das Eastern Cape und erreichen KwaZulu-Natal. Auf einmal ist die Straße wieder gut ausgebaut und führt geradewegs direkt an der Küste entlang bis nach Durban. Für diese 150km benötigen wir genauso lange wie für die 14km heute morgen, nämlich knapp eineinhalb Stunden.
Die Wild Coast macht ihrem Namen immer noch alle Ehre. Sie ist wild und ursprünglich. Sie ist abenteuerlich. Sie ist tiefstes Afrika. Sie hat sich kaum verändert. Sie bietet mit Abstand die schönsten Küstenabschnitte des Landes. Und sie ist es wert, besucht zu werden. Aber man muss sich die Zeit nehmen, um sie intensiv entdecken und erleben zu können. Und man muss wissen, welche Unterkünfte einen vernünftigen Standard und eine realistische Erreichbarkeit bieten. Anders als in vielen, gerade älteren Reiseführern beschrieben ist die Wild Coast nur dann gefährlich, wenn man sich selbst zu trottelig verhält.
Die vielen Pleiten, Pech und Pannen auf dieser Tour haben wir uns überwiegend selbst zuzuschreiben. Wie gut, dass es in Südafrika immer für alles eine Lösung gibt. „We make a plan.“
Kommentare
Vielen Dank für den interessanten Bericht und die tollen Fotos . Wir planen im November die Strecke zu befahren und hörten bis jetzt nur immer wie gefährlich dies sei, da mein Mann und ich schon öfters durch Südafrika reisten und gerne neues entdecken, bin ich froh durch einen positiven Reisebericht in unserem Vorhaben bestätigt zu werden.
Beste Grüsse
Doris Baumann
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