Friederike & Oliver essen und wandern am Kap
01.02.2024
Der Hinflug mit Lufthansa von Frankfurt bis Johannesburg ist gut und sehr angenehm. Wir landen gegen 09.30 Uhr, die Einreise und Kofferrückgabe läuft reibungslos. Weiter nach Kapstadt fliegen wir mit Flysafair, die Koffer müssen wir im nationalen Terminal des Flughafens neu aufgeben. Flysafair ist auch sehr gut und pünktlich auf die Minute. Es gibt sogar eine eigene App, mit der man alles machen kann (Einchecken, Boarding Pass etc.).
Bei Bluu in Kapstadt ist gegen 14 Uhr kein Mensch, wir kommen sofort dran. Als Klasse L Mietwagen gibt es heute einen Tiguan. Dann fahren wir die kurze Strecke nach Stellenbosch zum Wedgeview Country House, wo wir bei 38°C ankommen. Es gibt einen Begrüßungsdrink nach Wahl (für mich ein Bier und für Friederike einen Gin&Tonic), welche wir an einem schattigen Plätzchen im Garten einnehmen. Danach geht’s kurz ins Zimmer und bei der Hitze sofort ab an den Pool.
Um 19 Uhr haben wir unsere erste Dinner-Reservierung im Tokara. Abends gibt es dort inzwischen nur noch ein festes 5-Gänge-Dinner, zum Lunch kann man noch à la carte bestellen. Die fünf Gänge kosten ca. 50€ pro Person. Das Essen ist wirklich gut, ebenso der Service. Die Lage und die Aussicht mit Sonnenuntergang tun ihr Übriges, deshalb ist der Laden auch komplett ausgebucht. Leider ist es zu heiß, sodass wir im Innenbereich sitzen müssen. Es gibt auch noch die schönen Plätze außen auf der Terrasse.
Tokara ist eine absolute Empfehlung für Fine Dining Einsteiger und bietet ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Unser einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass die fünf Gänge etwa in der Größe so ausgefallen sind, wie wir es bei sieben oder acht Gängen gewohnt sind. Da wir seit dem Frühstück im Flieger nichts mehr gegessen haben, sind wir so gerade satt geworden. Die Weinauswahl ist sehr gut und preislich angemessen. Ich habe jetzt einen neuen Lieblings-Weißen: den The Foundry Grenache Blanc.
02.02.2024
Es sind heute 39°C vorausgesagt und wir haben eine geführte Wanderung im Jonkershoek Nature Reserve gebucht. Zum Glück hat unser Guide uns am Vortag kontaktiert und die Meeting Time von 9:00 Uhr auf 7:30 Uhr vorverlegt. Wir haben tatsächlich noch überlegt, die Wanderung wegen der Hitze abzusagen. Jonkershoek ist steil und hat quasi null Schatten. Aber das Ding ist nunmal gebucht und bezahlt. Es nützt ja nichts. Das Wedgeview hat uns ein rudimentäres Breakfast Pack mitgegeben, da das Frühstück erst um 8:00 Uhr startet.
Jonkershoek liegt gerade einmal 10km außerhalb von Stellenbosch, trotzdem haben wir das Gefühl, völlig fernab jeglicher Zivilisation zu sein. Als wir gegen 8:00 Uhr mit unserem Guide loswandern, sind es bereits 27°C. Egal welchen Trail man nimmt, es geht erstmal richtig steil nach oben. Wir gehen den ca. 7km langen Sossyskloof Trail, dessen 350 Höhenmeter man auch direkt am Anfang hochsteigen darf. Es gibt unterwegs genau zwei schattige Plätze für eine Pause, einen an einem kleinen Bachlauf mit trinkbarem Wasser, sollte man zuwenig mitgenommen haben. Es gibt im gesamten Reservat (auch am Eingang) keinerlei Verpflegungs- bzw. Versorgungsmöglichkeiten.
Landschaftlich ist Jonkershoek ein Traum. Wer ein wenig Wandererfahrung hat und mit den Höhenmetern umgehen kann, dem können wir dieses Reservat nur empfehlen. Der Eintritt kostet 50 ZAR und aktuell ist die Anzahl der täglichen Gäste limitiert. Unser Guide meinte aber, dass diese Limitierung bald aufgehoben werden soll. Sie stammt noch aus der Zeit nach dem großen Brand vor zwei Jahren. Auf unserem Trail haben wir aber keine Spuren irgendwelcher Brände gesehen.
Da wir früh losgewandert sind, erreichen wir schon gegen halb zwölf wieder das Wedgeview. Kurz duschen, dann ab an den Pool und bei über 35°C erstmal chillen. Nachmittags fahren wir zum Rainbows End Weingut. Dieses liegt wirklich am Ende der Welt, aber an einem der schönsten, die ich je gesehen habe. Vom Wedgeview an Stellenbosch vorbei geht es den Helshoogte Pass hoch, am Tokara vorbei, rechts über das komplette Oldenburg Vineyard und dann den Berg hoch, bis es nicht mehr weitergeht. Die Lage ist wirklich einmalig. Unsere Fotos geben diese atemberaubende Szenerie nicht ansatzweise wieder.
Die wichtigste Traube von Rainbows End ist der Cabernet Franc, aus dem Sie verschiedene Rotweine und einen Blanc De Noir machen. Letzteren fand ich so außergewöhnlich, dass ich davon eine Flasche mitgenommen habe. Sie haben auch Cabernet Sauvignon, Merlot, Shiraz und Chenin Blanc im Programm. Ein Restaurant gibt es nicht, man kann aber kleine Snackplatten zur Weinprobe dazubestellen.
Gegen 18 Uhr sind wir zurück am Wedgeview. Schnell umziehen, dann geht es in die Altstadt von Stellenbosch zum nächsten Höhepunkt: unserem Dinner im Dusk Restaurant. Um es vorwegzunehmen: Das Dusk wird der Sieger unserer sechs Dining Experiences werden. Wir sind uns beide einig, dass wir vorher noch nie so krass gut gegessen haben. Das Dusk toppt geschmacklich sogar das La Colombe, die alte Test Kitchen und das schon recht herausfordernde Fyn Restaurant.
Das zehn Gänge Menü kostet ca. 100€ pro Person. Die Weinauswahl ist sehr gut und preislich fair. Das Ambiente ist schlicht, aber sehr edel. Das Licht ist auf ein Minimum reduziert, alles ist dunkel eingerichtet. Man kann zwischen den Gängen an „Führungen“ teilnehmen, z.B. in den Weinkeller oder in das Fermentationslabor. Hier liegt die ganz große geschmackliche Stärke des Dusks: Sie stellen Unmengen von Zutaten selber her. Es werden verschiedene Misopasten fermentiert, aber auch Limoncello, in Honig eingelegter Knoblauch und vieles mehr. Einige der Fermentationen sind über zehn Jahre alt und damit deutlich älter, als das Restaurant selbst.
Das Dusk ist für Kenner und Liebhaber hochwertiger Sterneküche, die ihren Horizont erweitern wollen, absolut zu empfehlen (das Noma Kopenhagen lässt grüßen). Für jemanden, der noch nie in einem Sternerestaurant gegessen hat und das aufgrund der günstigen Preise in Südafrika mal ausprobieren möchte, sollte nicht unbedingt hier seine ersten Erfahrungen sammeln. Die Herausforderung ist dann vielleicht doch zu groß.
03.02.2024
Es ist Samstag und damit Food Market Tag. Wir haben dennoch im Wedgeview gefrühstückt, da wir ja gestern schon nur ein rudimentäres Breakfast Pack bekommen haben. Bezahlt ist schließlich bezahlt. Zuerst fahren wir zum Blaauwklippen Family Market. Der ist klein und schnuckelig mit ganz vielen Angeboten für Familien mit Kindern (großer Spielplatz, Bike-Parcours, Kinderschminken etc.). Natürlich gibt es auch die üblichen Getränke-, Essens-, Schmuck- und Bekleidungsstände.
Weiter geht es zum Root 44 Market. Als wir das letzte Mal vor Corona hier gewesen sind, war dies noch ein klassischer Markt mit Pop-Up Ständen unter einfachen Holzbeschattungen, der immer samstags und sonntags stattgefunden hat. Jetzt steht an dieser Stelle ein modernes zweistöckiges Gebäude mit aufwendig angelegtem Außenbereich. In der unteren Etage befinden sich die Food- und Tüddelkramstände, oben sind eine Galerie und ein Tasting Room für Weine verschiedenster lokaler Weingüter untergebracht. Der „Markt“ hat jetzt auch täglich geöffnet, nicht nur am Wochenende. Das nette Marktflair von früher ist aber leider verlorengegangen.
Es ist heute etwas bewölkter, aber wieder weit über 30°C heiß, sodass wir unsere geplante Wanderung im Helderberg Nature Reserve ausfallen lassen. Um einen Eindruck zu bekommen, sind wir trotzdem hingefahren, da wir eh schon in der Nähe sind. Der Eintritt kostet 30 ZAR pro Person plus 20 ZAR für’s Auto. Helderberg liegt zwischen Stellenbosch und Somerset West und ist ein privates Naturreservat (im Gegensatz zu Jonkershoek, welches zu Cape Nature gehört). Es gibt einen kleinen Shop mit Kartenmaterial, Souvenirs, Snacks und Getränken.
Wir haben dann doch einen knapp 4km langen Spaziergang mit relativ wenigen Höhenmetern gemacht. Die meisten kürzeren Trails sind recht einfach zu gehen und haben überwiegend trittsichere Wege, daher ist Helderberg auch für Wanderanfänger sehr zu empfehlen. Die Landschaft ist schön, aber lange nicht so spektakulär wie im Jonkershoek.
Da wir jetzt schon quasi in Somerset West sind, entscheiden wir uns, ans Meer zu fahren. Dank des Wochenendes und des Wetters ist der Strand voll. Richtig voll. Wir haben mit Mühe einen Parkplatz in einer Seitenstraße gefunden. Mir ist nicht klar gewesen, dass dieser kilometerlange Strand mit unendlich vielen Parkplätzen entlang der Küstenstraße wirklich irgendwann mal voll sein kann.
Wir haben uns aufgrund der Hitze erstmal ein schattiges Plätzchen in einem Café gesucht und gechillt. Dann gehen wir an den Strand und es fängt zu regnen. WTF? Die Helderberg Mountains im Hintergrund sind von den dunkelgrauesten Wolken verhangen, die man sich vorstellen kann. Es fängt an zu Donnern und zu Blitzen. Gerade schien doch noch die Sonne?! Es beginnt eine unbeschreibliche Massenflucht vom Strand zurück in die Autos. Ein Satz mit X.
Also fahren wir zurück zum Wedgeview, wo wieder die Sonne scheint. Das Gewitter ist wohl nur unten an der Küste entlang gezogen – und das ziemlich fix. Als ich auf das Regenradar schaue, ist das Unwetter bereits in Hermanus angekommen. Also chillen wir mal wieder am Pool, bevor unsere nächste Dinner-Reservierung ansteht.
Das Jordan Restaurant liegt Luftlinie nur einige hundert Meter vom Wegdeview entfernt, mit dem Auto muss man allerdings einen etwa 10km langen Schlenker fahren. Die Lage ist super mit tollem Blick über die Weinstöcke auf die Berge – das war’s dann aber leider. Um es vorwegzunehmen: Es wird das schlechteste Abendessen auf unserer Tour werden. Das ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau, aber Kritik muss sein.
Das sieben Gänge Menü klingt mit 60€ pro Person erstmal fair. Die Weinauswahl ist für ein Restaurant auf einem Weingut allerdings mau und völlig überteuert. Es gibt nur jeweils einen Rot-, Weiss- und Roséwein im Glas, ansonsten überzogene Flaschenpreise. Bei den Temperaturen traue ich mir mehr als zwei Gläser aber nicht zu, Friederike ist eh wetterunabhängig nach einem Glas bedient. Auch ist dies das einzige Restaurant, wo uns keine Auswahl zwischen lokalem Wasser und San Pellegrino angeboten wird. Wir haben einfach das teure importierte Wasser (was für ein Schwachsinn) hingestellt bekommen. Der Service war steif, wenig freundlich und dafür auch noch unaufmerksam. Das Essen war nicht schlecht, aber im Vergleich zu ähnlichpreisigen Fine Dining Restaurants hat man den Unterschied schon deutlich gemerkt. Das hat einfach alles nicht zusammengepasst.
04.02.2024
Wir stehen recht früh auf, denn wir wollen vor dem Frühstück noch eine kleine Wanderung (eher Spaziergang) zum Paradyskloof Waterfall machen. Dieser liegt im Eden Forest, einem gerade am Wochenende sehr beliebten Spazier- und Mountainbike-Areal der Locals (kein Eintritt). Da wir recht früh ankommen, sind wir auf dem Hinweg zum Wasserfall noch die Einzigen. Auf dem Rückweg kommen uns quasi die Massen entgegen. Es ist so voll, dass sich auf dem Parkplatz sogar ein Coffeebike eingefunden hat und Kaffee und Getränke verkauft.
Der Wasserfall ist im Hochsommer trocken, das wussten wir schon vorher. Die Wanderung ist aber trotzdem nett, etwa 5km bei 150 Höhenmetern mit tollen Ausblicken. Die letzten Meter sind eine ganz ordentliche Krakselei den Berg hoch, ansonsten ist der Weg recht einfach. Ohne die Alltrails App wären wir allerdings aufgeschmissen gewesen. Die Mountainbike-Strecken sind recht ordentlich ausgeschildert, die Wanderstrecke zum Wasserfall hingegen gar nicht.
Nach dem Frühstück geht’s weiter nach Kapstadt bzw. nach Camps Bay ins Ocean View House. Nach dem Gewitter gestern ist es hier deutlich kühler, mit ca. 21°C quasi kalt und in Camps Bay durchgehend bewölkt (den Sonnenuntergang werden wir erst im dritten Anlauf sehen – und dann nur kurz). Wir geben unser Gepäck ab und fahren an die Waterfront. Unsere heutige Dinner-Reservierung ist spontan eine Lunch-Reservierung geworden, da wir abends Karten für das Musical „Legally Blonde“ bekommen haben.
Neben den ganzen überteuerten Touristenfallen gibt es endlich wieder Fine Dining an der Waterfront. Das Pier Restaurant gehört zum La Colombe Kosmos, was man an allen Ecken und Enden sofort positiv bemerkt. Abends gibt es ein festes zehn Gänge Menü für etwa 100€ pro Person. Mittags kann man eine reduzierte Variante für ca. 80€ wählen, die wir dankbar annehmen – wir haben ja die letzten Abende schon genug gegessen. Das Essen ist top, sehr nahe am La Colombe. Der Service ist gut und sehr aufmerksam, vielleicht ein ganz bisschen zu steif. Die Lage mit Blick direkt auf den Hafen ist sehr schön. Zur Weinkarte kann ich nicht viel sagen, da wir mittags nur einen kleinen Rosé-Bubbly getrunken haben. Das Pier ist eine absolute Empfehlung, vermutlich das beste Restaurant an der Waterfront.
Für 17:00 Uhr haben wir Karten für Legally Blonde im Artscape Theatre. Das liegt in der Nähe des CTICC in der Innenstadt und bietet Inhabern von Tickets sogar kostenloses Underground Parking. Die Aufführung ist von vier Musical-Studenten inszeniert (Kapstadt hat eine Musical-Hochschule). Es spielen/singen ausschließlich Laiendarsteller, daher sind die Karten selbst für südafrikanische Verhältnisse mit 300 ZAR spottbillig. Wir haben also keine hohen Erwartungen, sind aber von der Qualität total überrascht. Da haben wir schon Aufführungen in deutschen Stadttheatern gesehen, die deutlich schlechter waren. Einzig einige Tonprobleme erinnern daran, dass es keine hundertprozentig professionelle Produktion ist. Es ist ein sehr kurzweiliger Nachmittag bzw. früher Abend. Zurück im Ocean View House chillen wir nur noch in unserem Zimmer und schlafen früh ein. Der Tag war lang.
05.02.2024
Direkt nach dem Frühstück fahren wir zum Cape Point National Park, allerdings nicht bis runter zum Kap der Guten Hoffnung. Kurz nach dem Gate geht es rechts rein zum Olifantsbos Parkplatz, wo wir den etwa 10km langen Sirkelsvlei Trail gehen wollen. Der Weg ist mit gerade mal 150 Höhenmetern recht flach und führt zuerst landeinwärts zu einem kleinen See, dem Sirkelsvlei. Anschließend geht es zurück an die Küste zum Wrack der Thomas T. Tucker, die hier 1942 gesunken ist. Vom Schiff ist aber nur noch ein rudimentäres Gerippe übrig. Unterwegs sehen wir Strauße und Buntböcke, zum Glück begegnen uns keine Baboons.
Es ist bewölkt und windig, wir haben das erste Mal seit unserer Ankunft in Südafrika Jacken an. Ganz am Ende kurz vorm Parkplatz kommt uns ein weiteres Pärchen entgegen, ansonsten haben wir den gesamten Trail für uns alleine. Schon lustig, wenn man bedenkt, wie voll es einige Kilometer weiter südlich am Cape Point ist. Einziger Kritikpunkt an unserer Wanderung ist die mangelhafte Ausschilderung. Ohne die Alltrails App hätten wir uns hoffnungslos verlaufen.
Unsere Rückfahrt geht über Scarborough, wo wir für ein leichtes Mittagessen einkehren. Anschließend besuchen wir spontan einen guten Freund in seinem neuen Domizil, eine schöne Überraschung. Sein Partner und er haben sich sehr gefreut, dass wir vorbeigekommen sind. Ihr Haus ist wirklich nett am Ende der Welt gelegen. Scarborough hat zwei Restaurants, ein Café und einen kleinen Laden für das Nötigste. Der Strand ist auch sehr schön. Trotzdem wäre mir das zu weit ab vom Schuss, aber die beiden haben hier ihr Paradies gefunden. Bei den großen Bränden Ende Dezember 2023 ist Scarborough übrigens nur ganz knapp einer Katastrophe entgangen. Das Feuer ist bis in die Gärten der ersten Häuser am Stadtrand vorgedrungen.
Anmerkung: Buschbrände sind am Kap ganz normal. Die lokale Fynbos-Vegetation braucht sogar durchschnittlich alle zehn Jahre ein Feuer, um ihr Überleben zu sichern. Kritisch wird es halt nur, wenn die Brände zu nah an die Zivilisation herankommen.
Am späten Nachmittag sind wir wieder im Ocean View House und chillen im Zimmer. Für den Pool ist es zu bewölkt. Um 19:30 Uhr steht die nächste Dinner-Reservierung an. Es geht in die Location der ehemaligen Test Kitchen, die vor etwa zwei Jahren von den „Fledgelings“, den Küken, übernommen wurde. Inhaber und Starkoch Luke-Dale Roberts gibt hier dem Nachwuchs aus weniger priviligierten Schichten die Möglichkeit, sich für die gehobene Gastrononie zu qualifizieren – sowohl in der Küche, als auch im Service. Die alte Test Kitchen war ja jahrelang Südafrikas unangefochtenes Highlight in Sachen Fine Dining. Wir sind gespannt, was uns heute erwartet.
Das sechs Gänge Menü kostet ca. 55€ pro Person, auch die gute Getränkeauswahl ist preislich recht fair gestaltet. Unsere Kellnerin warnt uns vor, dass die Küche recht laut miteinander kommuniziert. Viele Spitzenrestaurants am Kap haben ja das Konzept einer offenen Küche, in der eine recht leise Kommunikation unter den Köchen sicherlich zur gehobenen Ausbildung gehört. Aber die Test Kitchen war ja immer schon eher der Rock’n’Roll Laden im Gegensatz zum gehobenen Ambiente im La Colombe oder Fyn, insofern empfinden wir die etwas lautere Atmosphäre nicht als störend.
Das Essen ist wirklich überraschend gut. Natürlich keine drei Sterne, wie die alte Test Kitchen sie hatte, aber definitiv auf einem Niveau mit Tokara oder Protégé – und allemal besser als im Jordan. Der Service ist auch sehr gut. Allerdings vertauscht unsere Kellnerin zwei Gänge, das Lamm kommt vor der Ente. Aber das gehört dann halt dazu, es gibt ein Glas Wein auf’s Haus als Entschuldigung. Die Qualität scheint sich herumgesprochen zu haben, die Test Kitchen Fledgelings ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Konzept ist absolut unterstützenswert.
06.02.2024
Der heutige Tag steht ganz im Zeichen von Kultur. Es gibt in Kapstadt einen Anbieter namens Free Walking Tours, der verschiedene 90-minütige Gruppentouren anbietet, denen man sich einfach anschließen kann. Die Touren starten täglich zu festen Zeiten an einem Café in der Innenstadt und sind kostenlos. Am Ende kann man seinem Guide eine Spende in bar oder per Karte zukommen lassen.
Wir entscheiden uns für die Tour „From Apartheid To Freedom“, die um 11 Uhr startet. Mit uns sind es ca. 15 Teilnehmer, die unser Guide Tim auf einen politischen Stadtrundgang mitnimmt: von den Monumenten der Apartheid bis zur City Hall, wo Nelson Mandela nach seiner Freilassung seine erste öffentliche Rede gehalten hat. Tim hat wirklich viel zu erzählen, auch aus seiner persönlichen Erfahrung. Er ist ein Weißer und um die sechzig, hat also die erste Hälfte seines Lebens in und mit der Apartheid gelebt. Bei so einer Tour hätte man vermutlich eher einen schwarzen oder farbigen Guide erwartet, aber es war wirklich interessant, die Geschichte mal aus der Sicht eines Weißen zu hören, also aus der priviligierten Sicht. Das alles hier wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen. Wer Interesse daran hat, sollte sich einer von Tims Touren anschließen.
Danach gehen wir ins District Six Museum, welches Tim uns ausdrücklich empfohlen hat. Dieses Museum widmet sich der Zwangsumsiedlung nicht-weißer Einwohner zu Zeiten der Apartheid. Wir kommen passend zum Start einer Führung mit Joe, einem farbigen ehemaligen Einwohner, der die Vertreibung aus seinem Stadtviertel, dem sechsten Distrikt, hautnah miterlebt hat. Wie man sich denken kann, sind die Sichtweisen von Tim und Joe sehr unterschiedlich. Tims Tour endet mit der Freilassung von Nelson Mandela und dem freien Südafrika, also sehr positiv. Joes Tour endet mit dem Verlust von allem, was ihm je etwas bedeutet hat – bis heute trotz Freiheit ohne ernsthafte Aussicht auf Besserung seiner Lebensumstände. Das war schon ein krasser Stimmungswechsel.
Wir müssen uns erstmal irgendwo hinsetzen und einen Kaffee trinken, um das Erlebte zu verarbeiten. Und da wir gerade so im Kultur-Flow sind, haben wir auch noch die 16 Uhr Führung von Free Walking Tours mitgemacht, eine klassische historische Runde zu den Anfängen der Besiedlung am Kap. Mir war zum Beispiel nicht klar, dass die Küstenlinie früher viel höher lag und das Castle Of Good Hope einst direkt am Strand erbaut wurde.
Gegen 18 Uhr sind wir wieder am Ocean View House und siehe da, zum ersten Mal seit unserer Ankunft in Camps Bay sehen wir die Sonne. In der City hatten wir heute tagsüber immerhin schon ein paar blaue Wolkenlücken, während es auf dem Tafelberg und entlang der Twelve Apostels die ganze Zeit wolkig war. Am dritten Abend bekommen wir also endlich unseren Sundowner. Und der Abend könnte jetzt eigentlich enden, wir sind ziemlich platt. Aber blöderweise haben wir um 20 Uhr einen Tisch im Salsify Restaurant reserviert. Eigentlich haben wir gar keinen Hunger, schon seit Tagen nicht mehr. Aber der Tisch ist nun mal gebucht und das Deposit ist bezahlt. Es nützt ja nichts.
Also geht es zum Roundhouse in Camps Bay, welches nebem dem bekannten Biergarten, einem beliebten Treffpunkt der Locals, auch das gehobene Salsify beheimatet. Das Restaurant ist vor ein paar Jahren als Test Kitchen Ableger gestartet, mittlerweile nennt Chefkoch Ryan Cole den Laden sein eigen. Es gehört aktuell zur Top Five aller südafrikanischen Restaurants, dementsprechend hoch ist unsere Erwartung.
Die Erwartung wird zwar nicht enttäuscht, aber auch nicht hundertprozentig erfüllt. Das Ambiente ist schick, der Service ist freundlich und gut. Das zehn Gänge Menü für 90€ pro Person ist natürlich auch sehr gut, aber eben nicht spitze. Da waren das Dusk und das Pier nochmal ein bis zwei Schüppen besser. Es ist auch das fleischlastigste Menü unserer Tour. Während wir überall viel Gemüse und Fisch in den Gängen mit maximal einem Fleischgang hatten, gibt es im Salsify gleich zwei Fleisch-Hauptgänge, die sich mit Lamb Ribs und Pork Belly von der Textur her dann auch noch recht ähnlich sind.
07.02.2024
Eigentlich sollten wir heute Abend zurückfliegen, aber dank der lieben Gewerkschaft Verdi wurde uns ein weiterer Tag im Paradies geschenkt. Die Lufthansa hat unseren Rückflug gecancelt und uns auf den Condor-Flug am kommenden Abend umgebucht.
Leider ist das Ocean View House für eine weitere Nacht ausgebucht, so wie alle Unterkünfte in Kapstadt. Diese Woche findet die Mining Indaba statt, die größte Messe der Stadt. Und dann ist auch noch Parlamentseröffnung mit samt Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum der ersten freien Wahlen. Die Stadt ist einfach voll. Ich finde noch ein paar Zimmer außerhalb für 40€ die Nacht (es gibt Unterkünfte, die schaffen es tatsächlich auf eine durchschnittliche Bewertung von 1.0) sowie ein paar Zimmer im Silo Hotel oder One&Only für über 1000€. Dazwischen: Fehlanzeige. Irgendwann wird mir ein freies Zimmer im Camissa House angezeigt, dem Schwester-Gästehaus des ehemaligen Manna Bay. Wir sind froh, doch noch eine Bleibe gefunden zu haben.
Nach dem Frühstück checken wir im Ocean View House aus und machen uns auf die 15-minütige Fahrt zum Camissa House, um das Gepäck abzugeben. Das Haus liegt in der gleichen Sackgasse wie das ehemalige Manna Bay, welches mittlerweile ein Privathaus ist, direkt unterhalb des Table Mountain National Parks. Man kann direkt vom Haus loswandern.
Bereits bei der Ankunft sind wir vom Service total überwältigt. Wir werden direkt am Garagentor empfangen (es gibt eine Tiefgarage für alle Gäste) und unser Gepäck wird nach oben getragen. Dort werden wir zu Kaffee und Frühstück eingeladen, was wir ja aber gerade hinter uns haben. Im Übernachtungspreis ist alles inklusive: das Frühstück, alle Hausgetränke, der High Tea und ein Shuttleservice bis 23 Uhr im Umkreis von 10km (reicht bis nach Camps Bay oder zur Waterfront). Es gibt auch einen 24-Stunden Butlerservice, der einem alles auf’s Zimmer bringt. Daher fehlt in den Zimmern die Minibar und der Teekocher. Das Haus ist insgesamt sehr stilvoll eingerichtet.
Was machen wir nun also mit diesem geschenkten Tag? Kapstadt haben wir in den letzten beiden Tagen eigentlich zu Genüge unsicher gemacht und Shopping klingt irgendwie auch uninteressant. Also nochmal wandern, aber wo? Es ist schon nach 10 Uhr und die Sonne wagt sich so langsam hinter den Wolken hervor, zu spät also für den Tafelberg oder Lions Head. Unten am Kap sind wir ja auch schon gewesen.
Friederike fragt mich, wo ich denn gerne mal wandern würde, wo wir noch gar nicht gewesen sind. Spontan fällt mir das Paarl Mountain Reserve ein. Also ab ins Auto und auf nach Paarl. Zum Kap runter dauert es eine Stunde, warum sollen wir nicht auch eine Stunde von Kapstadt nach Paarl fahren?
Kurzer Spoiler: Wir haben ein neues Lieblingswandergebiet gefunden. Die Fahrt hat sich wirklich gelohnt. Man kommt direkt von der N1 auf die Zufahrt zum Reservat, die letzten Kilometer sind unbefestigt, aber gut befahrbar (auch mit einem Sedan). Wir parken an einem riesigen Picknickplatz, wo außer uns niemand an einem Mittwoch Mittag ist. Keine Ahnung, ob hier am Wochenende oder an Feiertagen der Bär steppt. Es gibt auch ein Toilettenhäuschen und ein Kassenhäuschen, letzteres ist aber nur am Wochenende und an Feiertagen besetzt. An Werktagen ist die Schranke offen und der Eintritt frei (wäre aber mit 30 ZAR pro Person auch nicht teuer gewesen). Mit etwa 24°C und einem schönen Sonne-Wolken-Mix herrschen ideale Wanderbedingungen.
Das Reservat hat eine gute Auswahl an verschiedenen Trails mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Wir haben den Klassiker mit ca. 6km und 250 Höhenmetern zum Paarl Rock und Bretagne Rock gemacht. Die beiden Aufstiege gehen direkt über die Granitfelsen und sind ganz schön steil. Zum Bretagne Rock hoch gibt es eine Kette als Geländer. Insgesamt sehen die Berge hier völlig anders aus, als in Stellenbosch oder Franschhoek. Kleine und große Granitkugeln dominieren das Reservat. Die Ausblicke auf das Tal mit der Stadt und den Weingütern sind atemberaubend. Hier oben treffen wir dann auch endlich mal ein paar andere Wanderer.
Der Rückweg zum Startpunkt gleicht eher einem gemütlichen Spaziergang auf einem breiten Weg. Kurz vor dem Parkplatz liegt ein kleiner Wildblumenpark, eine Art botanischer Garten im Miniformat. Leider sind bis auf ganz wenige Ausnahmen jetzt im Hochsommer alle Blumen bereits verblüht. Im Oktober muss das hier ein Paradies sein. Wir sind uns einig, dass wir irgendwann noch einmal zum Wandern wiederkommen werden. Auf dem Weg zurück zur N1 passieren wir das Taal Monument, ein imposantes Denkmal für die Sprache Afrikaans. Aber Kultur hatten wir in den letzten Tagen genug, ein Blick aus der Ferne reicht uns für heute.
Gegen 16 Uhr sind wir wieder am Camissa House, passend zum High Tea. Wir machen uns kurz im Zimmer frisch und gehen auf die Aussichtsterrasse, wo uns Kaffee, süße und salzige Snacks und kühler Weisswein serviert werden. Den Rest des Tages chillen wir am Pool, wir haben ja zum Glück keine Dinner-Reservierung mehr. Um 19 Uhr lassen wir uns vom Shuttleservice zum Oranjezicht Farmers Market bringen, der neben den klassischen Markttagen am Samstag und Sonntag nun auch mittwochs als Abendmarkt geöffnet ist. Mehr als einen Gin&Tonic gibt es für uns aber nicht mehr, Hunger haben wir sowieso keinen.
08.02.2024
Wir wachen mit einem strahlend blauen Himmel über Kapstadt und einem wolkenfreiem Tafelberg auf, zum ersten Mal seit unserer Ankunft hier. Das müssen wir natürlich ausnutzen. Schnell nochmal in die Wanderklamotten und los geht’s in den Table Mountain National Park, der ja direkt oberhalb unserer Unterkunft anfängt. Eine spontane Tafelbergbesteigung wird es nicht, obwohl wir direkt zum Platteklip Gorge Startpunkt hätten laufen können. Die Alltrails App hat einen netten, ca. 5km langen Rundweg ab/bis Deer Park (einem kleinen Picknickplatz an einem Bachlauf) gefunden, tolle Ausblicke auf den Berg, den Lions Head und die City Bowl inklusive.
Zum Glück gibt es im Camissa House bis 10:30 Uhr Frühstück und auschecken müssen wir erst um 12 Uhr. Das Frühstück gehört zu den besten, das wir je in Südafrika (und überall sonst) gegessen haben. Die restlichen Stunden bis zur Abfahrt chillen wir am Pool, wir haben definitiv genug Action die letzten Tage gehabt. Das Camissa hat sogar einen Umkleideraum mit Dusche für Late Check-Outs.
Die Fahrt zum Flughafen ist wie immer entspannt mit dem üblichen kurzen Stau, wo die M3 auf die N2 führt. Die Capetonians sprechen immer von „heavy traffic“ am Nachmittag. Die sollten mal zum Feierabendverkehr nach Bielefeld kommen…
Am Flughafen ist es recht busy, vermutlich wegen der Mining Indaba und der Parlamentseröffnung. Die Umbuchung auf Condor hat problemlos geklappt, wir haben zum Glück auch den Neo. Der Rückflug ist sehr bumpy, aber da kann ja ausnahmsweise selbst die Condor nichts dafür. Die Landung in Frankfurt ist pünktlich und um 10 Uhr sind wir wieder in Bielefeld. Bis zum nächsten Mal, bestes und schönstes Kap der Welt.
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